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Leseprobe – Band 2

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Leseprobe:

Der Ursprung der Ewigkeit, Band 2: Metamorphose

 

»Das soll wohl ein Scherz sein?« Seine Stimme war, wie auch sein Gang, gemächlicher Natur und klang heiser. Er trat dicht an das Gitter, konnte fast sein Gesicht an den Stäben ablegen, und starrte hinaus zu Alice. »Ich glaub, mich trifft der Schlag, du bist es ja wirklich!« Er rückte seine Brille zurecht, als könne er tatsächlich nicht glauben, wen er da vor sich sah.

»Es ist eine Weile her, Spencer«, hörte er Alice neben sich sagen. Ihre Stimme wirkte etwas unsicher.

»Eine Weile?«, sagte Alice’ alter Freund erstaunt. »Es ist eine Weile her, dass ich nachts nicht wenigstens drei Mal rausmuss. Wir müssen uns über 20 Jahre nicht mehr gesehen haben! Und sieh dich an: Du bist keinen Tag älter. Ach, was rede ich denn da …«

»Tut mir leid, dass wir dich mitten in der Nacht aus dem Bett gescheucht haben.«

»Oh, hast du nicht«, antwortete Gibson vielsagend, dann änderte sich sein Blick, er wurde weicher und offenbarte damit noch ein paar zusätzliche Falten auf den Wangen. »Ich habe nicht mehr damit gerechnet, dass ich dich noch mal zu Gesicht bekommen würde.«

»Es waren schwierige Zeiten.«

Gibson nickte.

»Ja, das waren sie.«

Sein Blick wandte sich von ihr ab, seine Brillengläser reflektierten im Schein der Laterne, als er seinen zweiten nächtlichen Besucher in Augenschein nahm. Die Falten auf den Wangen verschwanden wieder.

»Und wer ist das?«, fragte er und machte keinen Hehl aus seinem Unmut darüber, nachts einen Fremden vor seinem Tor stehen zu sehen.

»Das ist William Albury, er begleitet mich«, erklärte Alice knapp.

Will nickte zum Gruß.

»Guten Abend, Sir.«

Gibsons Augen musterten ihn hinter dickem Glas, und er fragte sich, ob der alte Mann gerade abwägte, ob er ihm vertrauen konnte. Es gab nicht viel, was er tun konnte, außer sich beschnuppern zu lassen und darauf zu warten, dass Gibson eine Entscheidung traf. Dann, als hätte er plötzlich das Interesse an ihm verloren, zuckte sein Brillengestell wieder zu Alice hinüber.

»Du hättest anrufen können«, maulte der Alte.

»Ich weiß, tut mir leid.« Sie stieß einen eisigen Atemhauch aus, die Kälte stieg an ihrer Nase empor. Machte sie das absichtlich?

Gibsons Kiefer arbeitete sichtbar.

»Ich kenne ihn nicht.«

»Aber du kennst mich«, beharrte Alice fröhlich. »Vertrau mir: Er wird keine Probleme machen, versprochen.«

Will fing Alice’ Blick ein, den sie ihm zuwarf. Es war, als würden ihre Augen sagen: Spiel einfach mit.

Er unterdrückte ein Augenrollen.

 

~ Alice ~

 

Spencer führte sie beide in sein Wohnzimmer, das mehr Ähnlichkeit mit einem Salon aus vergangenen Jahrhunderten hatte. Als Alice sich umsah, die schweren Vorhänge an den Fenstern erblickte, war es, als würde sie das Kapitel eines lieb gewonnenen Buches noch einmal lesen. So viele Erinnerungen strömten auf sie ein. Obwohl es gleichzeitig wie eine Ewigkeit wirkte, dass sie hier zuletzt gestanden hatte. Hinter ihr schloss Spencer die Tür. Hier, so stellte sie als Nächstes fest, wurden Geräusche sofort von der üppigen Einrichtung verschluckt.

»Kann ich dir etwas anbieten? Einen Tee? Einen Kaffee? Einen Cognac?«

Spencer huschte an seinem geliebten spitzbeinigen Sofa im altfranzösischen Stil vorbei, peilte offensichtlich den kleinen Barbereich neben dem Kamin an. Dass er nur sie fragte, fiel ihr durchaus auf. Will scannte, davon unbehelligt, neugierig den Raum ab. Er stand leicht abseits und schien Gibsons Worte gar nicht bemerkt zu haben.

»Nein, danke.«

Sie hatte sich schon auf sein Widerwort eingestellt, da änderte sich etwas in seiner Miene, und sie stellte fest, dass er sich längst einer neuen Sache gewidmet hatte. Als sie seinem Blick folgte, erkannte sie, was es war. Will hatte sich in der Zwischenzeit einer der vier voll beladenen Wände zugewandt und schaute auf ein Gemälde in einem Goldrahmen, das direkt über Spencers prunkvollem Sekretär hing.

»Erkennst du es?«, fragte Spencer, als er sich neben sie gestellt hatte.

Zu dritt schauten sie auf das einzelne Detail an der Wand.

»Ja«, antwortete sie und betrachtete das Gemälde. Es war fast vollständig mit schwarzer Farbe bedeckt, nur am rechten unteren Rand wölbte sich ein heller grauer Punkt in das Zentrum des Bildes, bis das runde Grau dort vom Schwarz verschlungen wurde. »Die Freuden des Grau«, sagte sie mit einem Lächeln. »Ich wusste nicht, dass du es behalten hast.«

»Ich konnte es nicht verkaufen, der materielle Wert konnte den ideellen nicht aufwiegen«, sagte er. »Ich weiß noch, wie ich es damals angesehen habe und sofort dachte: ›Das ist etwas ganz Besonderes, von einem besonderen Künstler.‹ Wenn ich daran denke, dass du nicht vorhattest, es jemals jemandem zu zeigen … was für eine Verschwendung!«

Sie betrachtete ihren Freund von der Seite, er war ganz auf das Bild fixiert. Sie sah auch Will, der, mehr oder weniger geschickt, seine Versuche, das Zwiegespräch zu belauschen, verbarg.

»Ich habe es Stan eine ganze Weile übel genommen, dass er das Bild einfach zu dir gebracht hat.«

Spencer verzog keine Miene.

»Das hat er mal erwähnt, ja.« Er räusperte sich. »Aber stell dir vor, er hätte es nicht getan. Dann wären deine ganzen Bilder auf eurem Dachboden verschimmelt.« Er schnitt eine Grimasse, die Brille wippte auf seinem Nasenrücken. »Und ich könnte es mir niemals leisten, in diesem wundervollen Heim zu wohnen.«

Sie wechselten einen Blick, und sie konnte nicht anders, als in sein verschmitztes Lachen einzufallen. Doch es hielt nur einen Moment, dann meldete sich eine andere, dringliche, Erinnerung zurück.

»Spencer, ich brauche ein paar Sachen aus meinem Fach. Könnten wir das eventuell sofort erledigen?«

Seine buschigen Augenbrauen hoben sich, und sie glaubte schon fast, dass er sie vertrösten wollte, doch dann klärte sich seine Miene.

»Wenn es so dringend ist – meinetwegen.« Er nickte in Wills Richtung, der sich ihrem Gespräch nun ganz offiziell zugewandt hatte. »Aber er bleibt hier oben …« Er bedachte Will mit einem strengen Blick. »… und fasst nichts an«, fügte er genauso nachdrücklich hinzu.

Sie folgte Spencer zurück in die Eingangshalle, wo das Echo und auch die Kälte sie erneut einholten, und schnell wünschte sie sich in die behagliche Gemütlichkeit des Salons zurück. »Ich hoffe, du hast nicht vor, dein gesamtes Vermögen einzufordern – das könnte ein paar Probleme mit den Banken geben«, setzte er an und schritt durch die Empfangshalle.

»Weil du nicht damit gerechnet hast, mich jemals wiederzusehen?«

»Das habe ich tatsächlich nicht. Aber damit hat es nichts zu tun, dein Geld ist und war schon immer sicher bei mir. Das weißt du doch, oder?«

»Natürlich, Spencer.«

»Einen Teil habe ich angelegt – nur Konventionelles, nichts Spekulatives. Aber eben mit gewissen Laufzeiten. Einige davon habe ich erst vor ein paar Monaten verlängert. Wer konnte schon ahnen, dass du kurz danach des Nachts vor meinem Tor stehst?« Er führte sie zu einer Tür am anderen Ende des zugigen, dunklen Ganges. Sie war verschlossen, Spencer zog einen Schlüssel aus seinem Bademantel. »Im vorigen Jahr habe ich dein letztes Bild verkauft.«

Sie hielt direkt hinter ihm, er drehte sich zu ihr um, doch es war stockfinster in diesem Teil seiner Villa. Einzig seine Brillengläser reflektierten einen schwachen Glanz vom Mondlicht, das durch die Fenster im Eingangsbereich zu ihnen herüberdrang.

»›Wintergarten‹?«

Sein Brillengestell wippte in der Dunkelheit.

»Ganz genau, das allerletzte Bild von Florence Bell«, sagte er mit einer gewissen Wehmut. Die Tür öffnete sich, Spencer betätigte einen Schalter. Im Vergleich zum Salon war der Raum, in dem er sie empfangen hatte, relativ schmucklos. In der Mitte befand sich ein einfacher Holztisch ohne Stühle. Spencer durchschritt den Raum und hielt vor einem Stück Wand, das vom Holz ausgespart war und einem fensterbreiten Wandtresor Platz machte. Sie erreichte ihn, als er längst dabei war, den korrekten Zahlencode einzugeben.

»Es ist seltsam, dich mit jemand Neues zu sehen«, gab er unumwunden zu.

Weil er sie nicht ansah, entging ihm ihre verwunderte Miene.

»Wir sind kein Paar, falls du das dachtest.«

Spencer drehte den Kopf in ihre Richtung.

»Bist du sicher?«, fragte er mit gehobenen Augenbrauen und einem überraschend hohen Ton am Ende seines Satzes.

Ihre Brauen zogen sich in die entgegengesetzte Richtung.

»Ganz sicher. Er ist nur ein Freund.«

Mit einem einrastenden Geräusch löste sich die Sicherung der Tresortür.

»Ich hoffe, du bist nicht in Schwierigkeiten«, sagte Spencer mit ehrlicher Besorgnis und trat einen Schritt zurück, damit sie in das Innere des Safes sehen konnte.

In der Mitte fand sie die Box, die sie Spencer vor all den Jahren überlassen hatte. Ein einfacher Schuhkarton.

»Als du mich damals um den Gefallen gebeten hast, hatte ich die Hoffnung, dass deine Flucht aus deinem Zuhause nur vorübergehend sei«, setzte Spencer wieder an, und sie sah aus dem Augenwinkel, dass er sie dabei beobachtete, wie sie den Karton in die Hände nahm und zu sich heranzog. »Aber du bist nie zurückgekehrt, oder?«

»Doch«, sagte sie und wischte über die braune Oberfläche der Box. »Nur zu spät.«

»Wer hat ihm das angetan, Alice? Wer besaß die Dreistigkeit, diesen herzensguten Mann, der keinem etwas zuleide getan hat, einfach in den Tod zu stürzen?«

Weil sie nicht wusste, was sie sagen sollte, wie viel sie ihrem einzigen Vertrauten in all den Jahren zumuten konnte, schwieg sie. Wie so oft, wenn es um ihre Vergangenheit ging. Irgendwann hatte sie beschlossen, Spencer so wenig wie möglich und so viel wie nötig zu sagen.

Er schien ihre Stimmung richtig zu interpretieren, als er fortführte:

»Sie haben eine Gedenkveranstaltung organisiert, wusstest du das? Ein paar Tage nachdem es passiert war. Der ganze Ort war auf den Beinen. Ich war auch dort.«

Alice drückte den Karton fester an sich.

»Das hat dich sicher viel Überwindung gekostet.«

»Stanley war auch mein Freund«, erwiderte er mit fester Stimme. »Es war mir ein Bedürfnis, dort zu sein, daran konnte mich auch diese alberne Flause in meinem Kopf nicht hindern.«

Sie blickte auf das Utensil in ihren Händen hinab.

»Danke, Spencer. Ich wünschte, ich hätte dort sein können.«

»Wenn ich eines über dich weiß, dann wohl, dass es – was immer dich davon abhält zu tun, was du willst – nichts mit Überwindung zu tun hat.«

Gemeinsam traten sie an das einzige Möbelstück des Raumes, und Alice stellte den Karton auf dem Tisch ab. Der Inhalt war noch immer derselbe wie vor 20 Jahren. Zuerst nahm sie das Foto in die Hand, hob es aus der Box empor.

»Himmel, wie alt ist dieses Bild?«, fragte Spencer.

Sie strich mit dem Daumen über die verblasste Fotografie und rechnete nach.

»Fast 50 Jahre.«

Sich mit plötzlicher Gewissheit daran zu erinnern, dass sie die Kopie dieses Fotos erst vor wenigen Monaten in den Händen gehalten hatte, traf sie mit der Intensität eines Blitzschlages. Genau dieses Foto hatte sie aus dem Umschlag herausgezogen, den Bill Albury ihr auf die Türschwelle gelegt hatte. Alice drehte den Kopf in Spencers Richtung.

»Ich bin hergekommen, um dich um einen weiteren Gefallen zu bitten«, sagte sie und zählte von dem Bündel Geldnoten, das ebenfalls im Karton deponiert war, eine bestimmte Summe ab und reichte sie ihm.

 

~ Will ~

 

Er hatte sich strikt vorgenommen, der Aufforderung seines Gastgebers nachzukommen. Doch je länger die Zeit dahinrann, ohne dass Gibson oder Alice zurückkehrten, desto schwieriger wurde das Unterfangen. Obwohl ihm die Hitze bereits bis in den Kragen stieg, behielt er seine Jacke an. Das Stehen war weniger ein Problem. Nachdem er tagelang im Auto unterwegs gewesen war, war jede andere Bewegung, die nicht mit Lenken, Schalten oder Pedaltreten zu tun hatte, eine Wohltat. Dennoch kam er sich nach einer gewissen Zeit seltsam unnütz vor, wie er da inmitten der Habseligkeiten eines Fremden stand und nichts weiter mit sich anzufangen wusste, als die Einrichtung zu inspizieren. Spencer Gibson schien einen ausgewogenen Geschmack zu besitzen. Zwischen einigen wohl ausgesuchten Details, die den antiken Chic des Salons unterstrichen, fand er auch allerhand Firlefanz, der nicht so recht in das Ambiente passen wollte. Was auch immer sich der Hausherr dabei gedacht hatte – die asiatische Winkekatze auf dem Fenstersims kaufte Will ihm einfach nicht ab. Vielleicht war sie ein Geschenk – sofern der Mann überhaupt Leute kannte, die ihm etwas schenkten. Oder dahinter befand sich eine Kamera, um herauszufinden, ob er hier etwas anfasste. Gibson war ein komischer Kauz, immerhin damit hatte Alice recht. Gerade als er sich über die goldene Tatze beugte, wurde die Tür neben ihm aufgerissen und Alice stand im Raum. Der Blick, den sie ihm zuwarf, deutete auf Unverständnis hin.

»Was machst du da?«, flüsterte sie.

Er straffte sich.

»Nichts.«

Will suchte nach Gibson, fand ihn aber nicht.

»Spencer bereitet die Gästezimmer für uns vor«, sagte sie.

Er wartete, bis sie die Schwelle übertreten hatte, dann fragte er sie mit leiser Stimme:

»Und, weiß er etwas über Rita Temple?«

Sie verzog das Gesicht.

»Wie kommst du darauf, dass er etwas über sie weiß?«

Jetzt war es an ihm, überrascht dreinzublicken.

»Ich dachte, deswegen sind wir hier? Um mehr über sie in Erfahrung zu bringen.«

»Was das angeht, sind wir auf uns allein gestellt. Ich habe nur etwas holen wollen, was er für mich aufbewahrt.«

»Ich glaube, ich weiß jetzt, was Gibson für dich macht.«

Sie hob eine Braue.

Er nickte.

»Er kennt sich mit Kunst aus. Du bist Künstlerin. Ist er so etwas wie dein Agent?«

»So etwas«, antwortete sie und ging ein paar Schritte durch den Raum. »Er vertreibt meine Bilder, verhandelt mit Galerien und Agenturen, verkauft an Interessenten.« Sie warf ihm einen Blick zu. »Er kümmert sich um mein Kapital.«

»Er ist deine Bank?«

»Unter anderem«, sagte sie. »Ich schätze, unsere Recherchen werden dazu führen, dass wir uns das eine oder andere Mal in die Öffentlichkeit begeben müssen. Aber unsere aktuellen Ausweise können wir nicht benutzen. Er kümmert sich darum.«

Will machte ein verstehendes Geräusch.

»Und was macht er sonst noch?«

»Zuallererst ist er mein Freund, dem ich vertraue«, sagte sie. »Er half mir damals, nach der Sache mit Groover Sparrow unterzutauchen. Nur dank ihm konnte ich weiterhin Kontakt zu Stan aufnehmen. Er ist ein sehr diskreter Mensch – eine Eigenschaft, die ich in all den Jahren immer mehr zu schätzen gelernt habe.« Sie bedachte ihn mit einem strengen Blick. »Aber er ist eben auch sehr misstrauisch. Er weiß nicht viel über meine Besonderheit, und auch nur annehmen zu müssen, dass er ein Teil von Serendipitys Observationen war, würde ihn durchdrehen lassen. Okay?«

Will nickte.

»Er ist kein Teil unserer Arbeit.«

»Sei einfach vorsichtig mit dem, was du ihm erzählst.«

»Keine Sorge, bisher macht er nicht den Eindruck, als wolle er längere Gespräche mit mir führen.«

»Er wird dir einen Computer und Internet zur Verfügung stellen«, setzte sie an, ohne auf seine Bemerkung einzugehen. »Wird dir das helfen, um Rita Temple ausfindig zu machen?«

Er fuhr sich über das Haar.

»Na ja, viel wissen wir ja nicht über sie. Das war alles vor fast 30 Jahren. Das Foto gibt nicht viel her. Und du weißt auch nicht viel mehr über sie.«

»Ich weiß, dass die Treffen der Selbsthilfegruppe in Augusta stattfanden. Die Stadt ist ungefähr eine halbe Stunde von hier entfernt. Ich weiß auch noch, wo die Treffen stattfanden. Hilft dir das fürs Erste?«

»Ich geb mein Bestes.«

Sie straffte die Schultern.

»Ach so, erwähn bitte nicht, dass du fürs Außenministerium arbeitest.«

Er wollte sie gerade berichtigen, da sah er einen Schatten durch die Tür treten. Gibsons Augen wirkten riesig hinter seinen Brillengläsern.

»Außenministerium?«

Will blickte in Gibsons entsetztes Gesicht. Hilfe suchend wandte sich ihr betagter Gastgeber an Alice. »Was hat es damit auf sich?«, hakte er nach.

Will sah Alice’ verkniffene Miene. Beinahe hätte er gegrinst, fing sich aber noch rechtzeitig.

»Es ist anders, als du denkst …«, begann sie hilflos.

Gibsons Blick schwenkte zu Will.

»Sondern?«, fragte er bedrohlich.

Will erweiterte seinen Gedanken von vorhin: Gibson war ein komischer, paranoider Kauz.

Alice kam seiner Erklärung zuvor.

»Er ist Diplomat. Er arbeitet in der Botschaft in Paris.«

Etwas in Gibsons Haltung änderte sich, entspannte sich, wie Will zu erkennen glaubte.

»Ich habe dort gearbeitet«, korrigierte er sie.

»Kein Grund zur Besorgnis, Spencer«, versicherte Alice.

Noch kurz bedachte Gibson Will mit einem durchdringenden Blick, dann sackten seine Schultern ein, sein Bademantel schlurfte wieder über den Boden.

»Wenn das so ist …«, begann er vielsagend. »Ich war nicht auf Gäste eingestellt, deshalb sind die Räume ausgekühlt und ein wenig spartanisch eingerichtet.«

»Es wird reichen«, sagte Alice schnell. »Wir sind unbequemes Reisen gewohnt.«

Damit drehte Gibson ab, und Alice folgte ihm, stoppte aber noch einmal auf Wills Höhe.

»Er hasst die Regierung.«

»Wer tut das aktuell nicht?«

»Er hasste auch jede andere davor«, sagte sie und verschwand durch die Tür.

Will folgte ihr.

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